Meine erste Woche in Prag

Schneller als man sich versieht, ist die erste Woche von meinen 12 Monaten in Prag schon wieder vorbei - und sie war rasant entspannt. Eigentlich Paradox, dass sich die beiden Wörter reimen, aber besser könnte ich diese Woche nicht beschreiben, die so anders war, als ich es gedacht hatte. 



Nachdem sich meine Eltern und ich am 1. September schon um 8 Uhr in Deutschland aufgemacht hatten, um bis zum Mittag in Prag sein zu können - was wir tatsächlich bis 11 Uhr auch schafften! Nach einer verwirrenden Begrüßungsphase, in der meine Eltern meinen tschechischen Mentor mit Hola anredeten, weil sie dachten, er sei mein spanischer Mitbewohner (Ups) und einem kleinen Spaziergang zu einer Bank, weil ich natürlich das Geld wechseln wieder vergessen hatte (Warum hat Tschechien sich denn bisher noch nicht für den Euro entschieden?), hieß es Abschied nehmen - zum ersten Mal in meinem Leben sah ich meine Eltern wegfahren, alleine in einer Millionenstadt, deren Sprache ich nicht sprach und deren Kultur ich nicht verstand. Es war gruselig und traurig, das will ich gar nicht verschweigen, aber ich war auch noch nie so aufgeregt gewesen, etwas neues zu beginnen. Dieses mal würde ich das Ganze ohne Erwartungen angehen - ich würde mich einfach auf das freuen, was kommen würde.
Und als so anders stellte sich der Abend gar nicht heraus, denn als erster Programmpunkt stand ein Rollenspiel mit deutschen Kindern an - natürlich auf deutsch, also Heimvorteil für mich! Da die Kids das Spiel aber nicht ganz verstanden, hatte ich die Chance das Spiel in die Richtungen zu manipulieren, wie ich es gern gehabt hätte - es war wie Game of Thrones mit mir als Marionettenspieler. Zumindest ich hatte eine Menge Spaß! 😉


Die nächsten Tage stellten eindeutig das "entspannt" in "rasant entspannt" dar. Die Wohnung, die ich mir mit Carlos, meinem Mitbewohner, teilte liegt im gleichen Gebäude, wie die Kirche, unter deren Schirm wir arbeiten werden - wir mussten nur durch zwei Türen gehen und standen wortwörtlich auf dem Podium der Kirche. Also war unser erster Punkt natürlich die morgendliche Sonntagsandacht und danach wollten wir erst einmal unsere neue Heimatstadt besichtigen.
Ich bin wirklich begeistert von all den bunten alten Häusern, den vielen Menschen (einschließlich aller Touristen) und der Geschichte vergangener Jahrhunderte. Mein Mentor Maros, der manchmal nebenbei als Fremdenführer arbeitet, zeigte uns alle wichtigen Plätze und Gebäude, einschließlich einer fantastischen Sicht über die ganze Stadt Prag.
Mit diesem Wissen sollten wir am Montag alleine den Ticketshop finden, in dem wir unsere Einjahreskarte abholen sollte - aber Pustekuchen. Nach 3 Stunden warten (das ist schlimmer als auf einem deutschen Amt), machte der Shop zu und wir wären noch lange nicht dran gewesen.


Am Dienstag aber, sollte es gemäßigt losgehen - was sich natürlich als nicht so ganz "gemäßigt" herausstellte. Maros nahm Carlos, mich und einen seiner Freunde mit auf eine "kleine" Wandertour in die umliegenden Hügel von Prag - dummerweise waren Hügel für mich als geborener Stadtmensch in Flachlandschaft natürlich nicht einfach nur Hügel. Und darum wurde natürlich entschieden, nicht den einfacheren langen Weg zu gehen, sondern eine Abkürzung über Gelände mit 70% Steigung zur Spitze zu nehmen. Die Rotstufe meines Gesichts könnte man nur noch als tiefrot, ähnlich einer zu reifen Tomate, beschreiben. Trotzdem hatten wir eine wunderschöne Aussicht von oben, der die Mühe schon fast wert machte - aber auch nur fast! 😁
Nach einer langen Wanderung (immerhin mit ausreichend Pausen) wurden wir noch mit einem Besuch bei Ikea und Lidl belohnt, damit wir unser Zuhause in der Kirche richtig ausstatten konnten!

Tja, die nächsten Tage bestanden hauptsächlich daraus, endlich an unser Einjahresticket zu kommen. Der Mittwoch stellte sich erneut als nicht erfolgreich heraus (immerhin konnten wir uns die Stadt noch weiter ansehen) und am Donnerstag kamen wir ENDLICH nach drei langen Wartestunden dran - immerhin konnte der freundliche junge Mitarbeiter Englisch, sodass wir wenigstens damit Glück hatten. Tagsüber schauten wir uns somit entweder die schöne Altstadt Prags an oder räumten die Lager der Kirche auf (Was dringend nötig war, wenn man 5 Schränke nach dem Aufräumen zu einem reduzieren konnte!)
Die Highlights waren jedoch eindeutig die Abende. Am Mittwoch machten Carlos und ich uns für ein Beer-Meeting der "Oh My Prague" Gruppe auf - ein Treffen für internationale Studenten in Prag, das wir im Internet gefunden hatte. Es wurde ein Abend voller Gespräche und Tischfußballspielen mit Studenten aus Frankreich, Italien, Spanien, England und einigen exotischeren Ländern wie Equador, bevor wir uns alle in einen Club aufmachten - wie ich zugeben muss, mein erster Clubbesuch überhaupt. Wir waren zwar am nächsten Tag extrem, übermüdet, aber da fand schon das nächste kleine Festival statt: Ein Animationsfilm-Festival lokaler Studenten. Mehr kann ich dazu gar nicht sagen, es war einfach eindrucksvoll - und so viel Arbeit!

Um die erste Woche zu einem Ende zu bringen, wurde es dann endlich richtig rasant. Wir machten uns auf nach Brno, wo wir eine Nacht blieben und etliche Studenten einsammelten, die mit uns in ein kleines Sommercamp fuhren - unsere Aufgabe war allerdings nicht die Betreuung, sondern der Abbau aller Zelte, Tippis, Tische und so weiter. Meine Arme tun heute noch immer weh. Nach einer Nacht voller tschechischer Lieder, Lagerfeuer und Schlafsackproblemen, kam dann für mich als Planermensch der schwierigste Teil: Carlos und ich sollten alleine wieder nach Hause finden, denn Maros wollte schon mitten in der Nacht nach hause fahren. Also blieben wir bei seinen Freunden und hofften auf das beste - allerdings nicht auf einen 2 1/2 stündigen Marsch durch die pralle Sonne über Felder ohne Schatten zu der nächst größeren "Stadt" (eher Dorf genannt). Es war genauso anstrengend wie es klingt, vor allem, weil Sonnenbrand überall wirklich nicht angenehm ist 😁 Trotzdem fanden wir unseren Weg mit ziemlich einfachen Verbindungen und nur relativ wenigen Verständigungsproblemen zurück nach Prag - rückblickend mache ich mir eindeutig zu viele Gedanken. Was ist schon besser gegen übermäßigen Planerdrang als allein im Nirgendwo ausgesetzt zu werden? 😂

Ihr seht, es war eine lange und aufregende Woche - ich hoffe ihr seid genauso gespannt darauf wie es weiter geht, wie ich! 

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